Ich mag diese Stimme. Und ich mag diese Musik. Weil diese Stimme mit mir seit acht Jahren die Welt debattiert, die ihre verteidigt und die meine in Frage stellt, damit beide verpuppt. Und weil diese Stimme mir viele weitere Welten vorstellt, in ihren Textbüchern. Und nun eine weitere Welt vorliest in diesem Musikbuch. Begleitet von vielen Stimmen, von Saiten und Tasten, von Zungen und Mundstücken, von Stimmungen, die man nicht lesen kann, weil Musik nicht spricht. Sondern sprachlos macht.
Can you teach me the trick, Mr. D.? It might not be known in this country.
Dabei hat sie hier ihre bleibende Statt, diese Liebe. Denn es war einmal genau hier, im Deutschland einer fernen Zukunft, und doch nicht mehr als zweihundert Jahrestage von jetzt, eine Gesellschaft von metamorphischen Leibern in permanenter Selbsterschaffung. Once upon a space. Was wir schon kennen, hat das Potential für das, was wir noch kennenlernen. Für musikalische Portweinflechten und schlaues Wasser, für romantische wechselseitige Verwurstelung und die regelrechte Liebe. Für ein Hermaphroditen-Ideal, Mädchenmacht und für die gleichgeschlechtliche Partnerschaft in einem Körper, die aber kein Ideal ist. Das gibt das Movens her für das, was passiert mit Suri Pfote, die das wiederholt, was ihr in einem Textbuch namens „Das versteckte Sternbild“ geschah. Da sagte Isou Weißfeder, die Raumschiffkapitänin und Schmugglerin: „Ich suche Suri Pfote, die ich liebe“. Und sie wurde fündig, um den Preis des eigenen Leibs. Deshalb sucht Suri, die Geliebte und ihrerseits Liebende, nun zurück. Das ist eine der Regeln, die die regelrechte Liebe vorschreibt. Sie hat recht.
Sie hat auch die Regeln für dieses Buch aufgestellt: die einer Hörigkeit. Das Musikbuch gehört jemandem. Wir können es nur hören. Doch was wir hören, entspricht exakt der Versöhnung durch Verdopplung, die hier erzählt und musiziert wird – dadurch, daß erzählt und musiziert wird. Unter der Stimme liegt die Stimmung, liegen streichelnde und aufreizende Klänge, die den Sprachrhythmus stimulieren, der den Takt vorgibt. Deshalb kann man diese Musik und diese Sprache spüren; sie führen vor, was vorgestellt wird, lassen sich aufeinander ein, eilen voraus, um einander einzuholen, und springen zurück, um auf gleicher Höhe zu bleiben. Die Musik beschwört den erwachten Garten und kleidet Mathematik in schallende Gewänder. Die Sprache setzt sich diesem Wollustwunder auf und forciert die Lust am Klang. So wird die Melodienflut beim hinterm Mond geparkten Farnschiff rollig, und nach dem Erwachen der Sternenfahrerin gibt es ein federleichtes Intermezzo, weil das Vorspiel vorbei ist und wir nun mitten in der Liebe sind, von der wir aber noch nicht wissen, daß wir ihr in ihrer Flatterhaftigkeit folgen dürfen. Sollen. Müssen.
Wie es das Musikbuch tut.
Auf dem Inselchen auf der Insel, auf der Lichtung im erwachten Garten führt die Technikerin Lisa die Liebende Suri in die Geheimnisse der Pherinfonik ein. Droht Gefahr, dann sieht sie das, riecht es und hört es. Liebe ist der Rest, ist Fühlen und Schmecken. Deshalb sind Finger und Zungen so wichtig – für die Sprache und für die Musik.
Deshalb sind Sprache und Musik so wichtig – für dieses Buch der Liebe, über die Liebe, unter dem Eindruck der Liebe. Der Hortus conclusus war einmal der Ort der Madonna. Jetzt ist er als erwachter Garten ein Ort der schwesterlichen Liebe, aus dem aber immer noch die Auswege offen stehen, wenn ein hübsches purpurrotes Kerlchen seine Lockstoffe entsendet. Dem Augenblick wird nie gesagt, verweile doch, du bist so schön. Schönheit bringt die Dinge in Bewegung, und selbst die Zeit muß sich paaren im höheren Liebesdienst.
So spielen sie, Lisa und Suri und Isou, und so spielen auch Dietmar und Heike und Johannes und Thomas. Sie spielen uns vor, was sich abspielt, wenn wir abspielen, was sie eingespielt haben. Spielt es nach, sagen sie. So fühlt, schmeckt, riecht, hört und sieht sich Liebe an. Was soll man noch sagen?
Andreas Platthaus